Wie ich meine Uhr austrickse
Ich liebe Daten und ich liebe es, Daten zu analysieren. Und noch mehr liebe ich es, Daten über mich zu sehen. Da wäre eine “Smartwatch” oder eine Fitnessuhr genau das richtige für mich. Also habe ich mir ein günstiges Modell gekauft: ein xiaomi smart band 7. Aber eine Sache liebe ich nicht - wenn meine Daten an Großkonzerne gehen. Ich gehöre ja nicht zum Circle.

Die Uhr funktioniert allerdings nur, wenn man sie mit einer App verbindet, beispielsweise Zepp Life oder Mi Fitness (Xiaomi Wear). Und es ist auch ganz praktisch, dass man seine Daten nicht nur auf dem kleinen Display der Uhr betrachten kann, sondern auch auf dem Telefon. Allerdings werden auf diese Weise meine Daten natürlich auf einen proprietäten Server gespeichert und mit ziemlicher Sicherheit weiterverwendet. Insbesondere bei Gesundheitsdaten ist mir das zu heikel.
Was ist die Alternative? Eine App namens Gadgetbridge. Gadgetbridge ist eine freie und quelloffene Android-Anwendung, mit der verschiedene “Smart-Geräte” wie Smartwatches, Armbänder und Kopfhörer gekoppelt und verwaltet werden können, ohne dass man die Anwendung des Herstellers benutzen muss.
Die Einrichtung
Leider ist die Einrichtung nicht unbedingt trivial, darum möchte ich hier einmal die Schritte dokumentieren, mit denen ich mein xiaomi smart band 7 mit Gadgetbridge koppeln konnte.
- Die neueste Version von Mi Fitness installieren.
- In Mi Fitness ein Xiaomi Account anlegen.
- Mi Fitness deinstallieren.
- Mit Fitness Version 3.20.2i installieren. Ich habe das über den Aurora-Store gemacht, in dem ich neben dem “Installieren” Button noch die Version auswählen kann, dort musste ich dann
320002eingeben. - In Mi Fitness (3.20.2i) mit dem Xiaomi Account anmelden und die Uhr verbinden. Danach die Uhr NICHT entkoppeln und auch NICHT die App deinstallieren.
- Entwicklermodus in Android starten (Einstellungen > Über das Telefon > Build-Nummer sieben mal anklicken).
- Adb auf dem PC installieren.
- Einstellungen > Entwickleroptionen > USB-Debugging aktivieren
- Telefon über ein Kabel mit dem PC verbinden.
adb devicessollte das Gerät anzeigen. adb shellstartet eine Shell auf dem Telefon.- In der adb shell:
grep -E "authKey=[a-z0-9]*," /sdcard/Android/data/com.xiaomi.wearable/files/log/XiaomiFit.device.log | awk -F ", " '{print $17}' | grep authKey | tail -1 | awk -F "=" '{print $2}'. Die Ausgabe ist der authKey für das verbundene xiaomi smart band 7. - Gadgetbridge aus F-Droid installieren.
- Mi Fitness beenden, aber NICHT deinstallieren und auch NICHT entkoppeln, das würde den authKey ungültig machen.
- In Gadgetbridge nach der Uhr suchen, lange gedrückt halten und den authKey als Authentifizierungsschlüssel angeben.
- Auf die Uhr drücken > Koppeln > Koppeln als begleitendes Gerät
- Mi Fitness deinstallieren, die Uhr funktioniert nun ohne proprietäre App und die Daten werden alle lokal gespeichert.
Vielen Dank an das gelöschte Konto, das die Lösung für den authKey geliefert hat. Normalos könnten sicherlich auch ohne adb oder shell ihr Gerät in Gadgetbridge einrichten, viele Uhren benötigen keinen proprietäten authKey und man könnte auch einfach die Datei /sdcard/Android/data/com.xiaomi.wearable/files/log/XiaomiFit.device.log am PC öffnen und händisch nach “authKey” suchen. Ich finde es allerdings mit einem Shell-Befehl einfacher. Und dass man einen Xiaomi-Account erstellen muss, ist blöd, aber leider unumgänglich, sofern das Gerät einen propritären authKey benötigt, was wie gesagt nicht bei allen Uhren der Fall ist. Den Account kann man jedenfalls im Anschluss an die Einrichtung löschen, ebenso wie die Mi Fitness App.
Bewertung
Die Gadgetbridge App hat ihre offensichtlichen Vorteile darin, dass sie quelloffen und frei ist und meine Daten nun hoffentlich nicht weitergegeben werden. Ich kann mir zwar bei Gadgetbridge sicher sein, aber natürlich nicht, dass das smart band nicht doch irgendwie eine Verbindung zum xiaomi Server bekommt. Aber da das Band keine Internetverbindung hat, kann ich mir nicht vorstellen, wie die Uhr das hinbekommen sollte. Wenn man sich darum Sorgen macht, wäre eine Uhr wie die PineTime sicherlich sinnvoller, aber wie gesagt: Die Uhr kann nach meiner fachlichen Einschätzung nicht mit einer bloßen Bluetooth-Verbindung nach Hause funken, solange keine entsprechende proprietäre App installiert ist.
Die Benutzeroberfläche von Gadgetbridge ist in Ordnung. Man merkt am Design, dass es keine kommerzielle Anwendung ist, aber ich kann mir alle relevanten Daten (Puls, Schlaf, PAI, Schrittzahl, Akkuladung) ansehen, Uhr-Einstellungen vornehmen, bekomme Benachrichtigungen vom Telefon auf die Uhr gesendet und so weiter. Auch Workouts werden mir angezeigt, also die Art des Workouts, verbrannte Kalorien, Trainingseffekt, VO$_2$ Max und mein Puls sowie Workout-spezifische Daten wie Schrittfrequenz, Geschwindigkeit, Strecke, Schwimmstil, SWOLF und so weiter, die Liste ist lang. Beim Joggen sendet Gadgetbridge auch meine GPS-Position an das smart band, daher sehe ich sowohl auf der Uhr als auch in der App die gelaufene Strecke. Nicht so schön ist es, dass bei einer unterbrochenen Verbindung, weil ich beispielsweise Bluetooth deaktiviert hatte, nicht immer automatisch eine Verbindung erneut hergestellt wird. Stattdessen muss manuell ich in der App auf “Verbinden” klicken. Zudem kann ich leider keine neuen Ziffernblätter installieren. Das bedeutet, dass ich mit den bereits auf der Uhr instalierten Designs zufrieden sein muss.
Fazit
Trotz der kleinen Unannehmlichkeiten bin ich sehr zufrieden mit Gadgetbridge. Für den Otto Normalverbraucher ist es eventuell nicht vollkommen geeignet, denn man sieht viele Rohdaten in einer mittelmäßigen Benutzeroberfläche. Die meisten propritären Anwendungen sind etwas simpler gestaltet und geben dem Nutzer klare Vereinfachungen, wie “Du hattest nicht genug Tiefschlaf.” Mit Gadgetbridge muss man solche Bewertungen selber treffen. Aber allein die Gewissheit, dass meine Gesundheitsdaten weder an Versicherungen verkauft noch für ein KI-Training eingesetzt werden, macht Gadgetbridge für mich zu einem absoluten Sieger.